Patentrecht: Widerspruch zwischen Patentansprüchen und Beschreibung / Keine äquivalente Patentverletzung bei Benutzung beschriebener Ausführungsformen, die sich nicht in den Patentansprüchen wiederfinden
Der 10. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich in der Entscheidung "Okklusionsvorrichtung" (BGH X ZR 16/09) mit einer Konstellation zu befassen, in der eine Patentschrift in ihrer Beschreibung Offenbarungen technischer Lehren und Wirkweisen enthielt, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden hatten. Es wurden verschiedene Möglichkeiten beschrieben, eine bestimmte technische Aufgabe zu lösen, aber nur eine dieser Möglichkeiten wurde in einen Patentanspruch aufgenommen.
Der Bundesgerichtshof hat nun festgestellt, dass im Patentverletzungsstreit die in der Patentschrift zwar beschriebenen, aber nicht in einen Patentanspruch aufgenommenen Möglichkeiten zur Erzielung der gewünschten technischen Wirkung grundsätzlich nicht in den Patentschutz mit einbezogen sind. Die Beschreibung darf nur insoweit berücksichtigt werden, wie sie sich als Erläuterung des Patentanspruches lesen lässt, aber nicht darüber hinaus und erst recht nicht zur Ergänzung des Anspruchs mit Merkmalen, die nicht explizit beansprucht wurden.
Verwendet ein Wettbewerber des Patentinhabers eine von mehreren, vom Patentinhaber in der Patentschrift offenbarten technischen Lehren, die nicht in einen Patentanspruch aufgenommen wurde, so begründet diese Benutzung einer solchen übrigen Möglichkeit, die technische Wirkung zu erzielen, keine äquivalente (gleichwirkende) Patentverletzung.
Der Patentinhaber hatte hier den Fehler gemacht, zuviel an technischem Wissen zu offenbaren und zu wenig zu beanspruchen. Er hat sein Wissen, das er eigentlich durch das Patent schützen wollte, in eben dieser Patentschrift veröffentlicht und damit dem Wettbewerb zugänglich gemacht, ohne auf einen hinreichenden Bezug zu den Patentansprüchen zu achten, er hat gewissermaßen eine "geschwätzige Patentschrift" veröffentlicht, wohl in der irrigen Annahme, alles, was darin stehe, sei auch geschützt. Dies ist nicht so. Alles, was in einer Patentschrift steht, ist stets unter den Patentansprüchen zu lesen; der Schutzbereich der Patentansprüche kann nicht durch Heranziehung anderer Teile der Patentschrift erweitert werden. Der Patentinhaber konnte hier demzufolge dem Wettbewerber die Benutzung der von ihm selbst erforschten und veröffentlichten technischen Lehre nicht unter dem Aspekt der äquivalenten Patentverletzung untersagen.
Zurück